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»Der Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Ich bin daher entschlossen, keine Art von Krieg zu unterstützen und an der Beseitigung aller Kriegsursachen mitzuarbeiten.«

Aus der Grundsatzerklärung der DFG-VK (Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegner:innen)

Gedenken an die auf dem Bonner Nordfriedhof begrabenen Zwangsarbeiter, Zwangsarbeiterinnen und ihre Kinder aus der damaligen Sowjetunion

Bei sommerlichem Wetter ist es sehr schön auf dem Nordfriedhof. Ich stehe unter schattenspendenden Bäumen und blicke auf die sonnenbeschienene Wiese vor mir. Aber die kyrillisch beschrifteten Steinplatten im Gras zeigen, um was es geht.

Rede von Etta Fennekohl am 22. Juni 2024:

Im Namen der Beueler Friedensgruppe begrüße ich alle sehr herzlich zu unserem diesjährigen Gedenken an die Zwangsarbeiter, Zwangsarbeiterinnen und ihre Kinder.

In der Geschichte der Menschheit wurde – und wird bis heute – Zwangsarbeit von Regimen auf der ganzen Welt genutzt, um ihre Wirtschaft zu stärken und auch ihre politischen Ziele zu verfolgen. Während des zweiten Weltkriegs waren Millionen von Menschen in ganz Europa Opfer von Zwangsarbeit. Unter dem nationalsozialistischen Regime wurden insbesondere politische Gefangene, Kriegsgefangene und Menschen aus besetzten Gebieten in Lagern, Fabriken und anderen Einrichtungen zur Arbeit gezwungen, ohne angemessene Entlohnung und oft unter unmenschlichen Bedingungen. Heute ist der Tag, an dem sich der Überfall Nazideutschlands auf die Sowjetunion zum 83. Mal jährt.

Beim Einmarsch in die Ukraine und Weißrussland hatte die Reichswehr schon Ausrüstung für Arbeitsämter in ihrem Gefolge. Im Reichsgebiet fehlten Arbeitskräfte, weil die Männer als Soldaten eingezogen worden waren. Zunächst setzte man auf Freiwilligkeit. So konnten sich junge Frauen und Mädchen als Hilfe für deutsche Haushalte bewerben, wenn sie einen „germanischen“ Eindruck machten. Andere Arbeitskräfte sollten durch Propaganda dazu gebracht werden, sich freiwillig zu melden, angeblich weil es im Großdeutschen Reich gute Arbeitsbedingungen und gute Bezahlung geben würde. Auch wurde Familien in Aussicht gestellt, dass kein weiteres Familienmitglied nach Deutschland zur Arbeit müsste, wenn sich eines freiwillig melden würde. Man konnte sich auf die Fahrt ins Unbekannte noch mit ausreichender Kleidung und Verpflegung vorbereiten. Bald drang aber Kunde von den Zuständen, unter denen die Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen in Deutschland arbeiten mussten, auch in die Heimatländer. Niemand meldete sich mehr freiwillig. Deshalb gingen die Besatzungstruppen dazu über, Menschen willkürlich von der Straße zu verhaften und nach Deutschland zu deportieren. Diese hatten weder angemessene Kleidung noch Verpflegung für die Fahrt dabei. Beides wurde ihnen auch nicht zur Verfügung gestellt. Der Transport dauerte mehrere Tage und fand in überfüllten Viehwaggons statt. Die Zustände können wir uns wohl vorstellen, sie müssen nicht näher beschrieben werden. Die Zwangsarbeit war weit verbreitet und muss vielen Menschen in Deutschland bekannt gewesen sein. Sie geschah praktisch unter den Augen der Öffentlichkeit. Dennoch wurde sie toleriert oder aktiv unterstützt, sei es aus ideologischer Überzeugung, aus wirtschaftlichem Eigeninteresse oder aus Angst vor Repressalien. Diese weitverbreitete Kollaboration und Gleichgültigkeit verschlimmerte die Leiden der Opfer.

Eine besondere Tragik liegt darin, dass diejenigen Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen, die in Rüstungsbetrieben zur Arbeit gezwungen wurden, mit ihrer Arbeit den Krieg und damit ihre Zwangsarbeit verlängerten. Sie versuchten es gelegentlich durch Sabotage zu verhindern; aber wenn das aufflog, war Todesstrafe die Folge.

Nach dem Krieg konnten viele Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen nicht in ihre Heimatländer zurück, weil sie dort als Kollaborateure verunglimpft und verfolgt wurden. Auch in Deutschland waren sie völlige Außenseiter. Als „Displaced Persons“ bekamen sie keine Unterkunft oder Arbeit.

Später wurden zwar einige Anstrengungen unternommen, um die Opfer von Zwangsarbeit zu entschädigen und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Aber diese Bemühungen blieben unvollständig oder unzureichend. Die Nürnberger Prozesse und andere Gerichtsverfahren führten zwar zur Verurteilung einiger weniger Kriegsverbrecher, aber viele wurden nie zur Rechenschaft gezogen oder konnten sich ihrer Strafe entziehen. Erst am 6. Juli 2000 beschloss der Bundestag die Gründung der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“, die den dann noch lebenden Opfern bis zu 7500 Euro auszahlen sollte. Dadurch wurden in den USA laufende Gerichtsverfahren abgewendet.

In den vergangenen Jahren berichtete ich ausführlich darüber, dass Frauen, die schwanger wurden, zunächst, weil sie als Zwangsarbeiterinnen nicht mehr genug leisten konnten,.in ihre Heimatländer zurück geschickt wurden. Als sich die Schwangerschaften als ein Mittel, nach Hause zu kommen, häuften, mussten die Zwangsarbeiterinnen weiterhin schuften, Abtreibungen bis zum Ende der Schwangerschaft ertragen oder ihre Kinder unter unwürdigen und gefährlichen Umständen zur Welt bringen. Die meisten Kinder wurden ihnen nach der Entbindung fortgenommen und in sogenannte Pflegeeinrichtungen gebracht. Dort wurden sie aber nicht gepflegt, sondern gezielt durch Entzug von Nahrung, Hygiene und Zuwendung ermordet.

In Alfter gab es eine solche Einrichtung: Die Ausländerkinder-Pflegestätte.

Die Gemeinde hat am 25. April dieses Jahres einen Gedenkstein für die dort zu Tode gekommenen Kinder errichtet. Alle Namen sind dort zu lesen. Einige dieser Kinder sind hier beerdigt worden. Wir kommen beim Verlesen der Namen nachher darauf zurück.

Es wäre gut, wenn auch hier durch zusätzliche Zeichen die Menschen, die an diesem Gräberfeld vorbeigehen, darauf aufmerksam gemacht werden könnten, welche besondere Personengruppe hier begraben liegt.

Ich zitiere den Text, der auf der Stele in Beuel für die Zwangsarbeiter, Zwangsarbeiterinnen und ihre Kinder steht mit den Zahlen des vor uns liegenden Gräberfeldes:
) „Fern ihrer Familie und ihres Zuhauses befinden sich hier die Gräber von 20 Frauen, 43 Männern und 17 Kindern und 14 Grabsteine, von denen man durch die Aufschrift keine Zuordnung zu den vorigen Gruppen vornehmen kann aus Osteuropa, die in den Kriegsjahren in Bonn verstarben. Nachdem die deutsche Wehrmacht ihre Heimatländer überfallen hatte, wurden sie, wie viele hunderttausend andere nach Nazideutschland verschleppt. Unter elendesten Bedingungen mussten sie hier Zwangsarbeit leisten. Daran gingen sie zugrunde und erlebten die Befreiung nicht. Wir gedenken ihrer und lassen uns von den vielen Millionen Opfern dieser Zeit mahnen: Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!“

Wir wollen nun die Namen der hier begrabenen Männer, Frauen und Kinder verlesen, einmal im Jahr eine Möglichkeit, an sie zu erinnern.

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